Die erste feste Filmvorführstätte in Deutschland wurde am 25. April 1896 in Berlin eröffnet. Seitdem erlebte das Filmgeschäft in den deutschsprachigen Ländern und weltweit eine stetige, oft sprunghafte Entwicklung, die keinesfalls linear und nicht in jedem Land zeitgleich stattfand. Sie wurde von technischen Entwicklungen ebenso beeinflusst wie von ökonomischen, sozialen oder historischen Ereignissen. Dennoch sind Meilensteine auszumachen, die das Kino entscheidend geprägt haben – sowohl in seiner Ästhetik und Wirtschaftlichkeit als auch in seiner Wahrnehmung und seinem Zuschauerverhalten.
Auf dem Weg vom Varieté zum Filmpalast
Das Kino des ausgehenden 19. Jahrhunderts stand praktisch in den Startlöchern: In Europa und den USA arbeiteten zu dieser Zeit verschiedene Ingenieure parallel an der Entwicklung von Geräten zur Aufnahme und Projektion von Bewegtbildern. Die Geburt des Kinofilms wird üblicherweise mit der ersten Filmvorführung der Brüder Auguste und Louis Lumière für ein zahlendes Filmpublikum am 28. Dezember 1895 im Grand Café in Paris gefeiert, bei der die Einfahrt eines Zuges in den Pariser Bahnhof La Ciotat präsentiert wurde. Der erzählerische Aspekt war in den zunächst nur einige Sekunden umfassenden Filmen, die in Varietétheatern oder auf Jahrmärkten vorgeführt wurden, kaum ausgeprägt. Erst mit Filmen wie Georges Méliès‘ Reise zum Mond (1902) und Edwin S. Porters Der große Eisenbahnraub (1903) kündigte sich die Entwicklung zum Erzählkino an. Einen entscheidenden Impuls erhielt es durch das Entstehen von einfachen, festen Kinos in den größeren Städten, die vor allem in der Arbeiterklasse großen Anklang fanden. Die steigende Nachfrage nach Filmen, das Aufkommen der Verleihindustrie und der weltweite Vertrieb ermöglichten aufwändigere Produktionen. Die Bemühungen der Zensur führten auch dazu, dass die Filmgesellschaften auf bewährte Inhalte der bürgerlichen Kultur, insbesondere des Theaters, zurückgriffen, um gezielt wohlhabendere Menschen anzusprechen. Die meisten großen Städte hatten Filmpaläste. Diese, die über ein eigenes Orchester verfügten, boten ab 1910 einen geeigneten Rahmen für diese Veranstaltungen. Nicht zuletzt amerikanische Filmschaffende wie David W. Griffith und Lois Weber setzten sich mit der Theatralität des frühen Films auseinander, um eine spezifische Filmästhetik zu entwickeln.
Zwischen Propaganda und Unterhaltung
Nachhaltig verändert wurde das Kino durch den Ersten Weltkrieg. Die Machthaber sahen in dem neuen Kommunikationsmittel ein optimales Instrument zur Beeinflussung der Bevölkerung: In Großbritannien, Frankreich und Deutschland fanden Propagandafilme über die Schlacht an der Somme ein millionenstarkes Publikum.
Zugleich wurde der Aufstieg Hollywoods zur Weltmacht des Kinos durch die Kriegs- und Nachkriegskrisen begünstigt. Für Produktionsunternehmen in der gesamten Welt wurde die “Traumfabrik” mit ihrer Arbeitsteiligkeit in der Filmproduktion zum Vorbild. Die damit verbundene Professionalisierung der Filmberufe brachte auch eine Verdrängung der Frauen aus Kernbereichen der Filmherstellung mit sich. Erst mit dem Autorenfilm der 1960er Jahre wurden Frauen in der Filmproduktion berücksichtigt.
In den Industrieländern der zwanziger Jahre entwickelte sich der Film zum zentralen Element der neuzeitlichen Breitenkultur. Das Goldene Zeitalter des Stummfilms galt aber vor allem deswegen als goldenes Jahrzehnt, weil sich der Film als bildende Kultur emanzipierte: In Deutschland wurde mit Werken wie Friedrich W. Murnaus Faust (1926) eine filmexpressionistische Tradition geschaffen, die eine Verbindung zur hohen Kultur herstellte. Kennzeichnend für solche repräsentative UFA-Produktionen war die vom Studioleiter Erich Pommer verlangte Experimentierlust. Besonders hervorzuheben sind die legendären Großstadt-Kulissen in Fritz Langs Metropolis (1927), bei dem das Schüfftan-Verfahren zum Einsatz kam. Dieses Verfahren erlaubte es, die Schauspielerinnen und Schauspieler in kleinen Modellen zu reflektieren. Der mit seinen fünf Millionen Reichsmark Herstellungskosten damals kostspieligste deutschsprachige Science-Fiction-Klassiker ist damit auch ein Beispiel für den enormen technologischen Durchbruch des Kinofilms in den zwanziger Jahren. In der UdSSR, wo Lenin den Film zur höchsten aller Kunstarten erhob, verlief die gesamte Entwicklung nicht weniger revolutionär. Im Staatsauftrag wurden revolutionäre Schnittfilme wie Panzerkreuzer Potemkin (1926) produziert. Gleichzeitig entwickelte sich Paris zum Brennpunkt des Films der Avantgarde, Animation und Montage ermöglichen vollkommen neue Bilderlebnisse.
Die Blütezeit des Aufnahmestudios
Der Tonfilm wirkte sich vor allem auf die Schauspielkunst aus und veränderte deren Erscheinungsbild in Richtung mehr Natürlichkeit. Die “Talkies” konnten jedoch nur begrenzt zu mehr Wirklichkeitsnähe im Film beitragen. Seinen Triumph hatte der Tonfilm nicht unwesentlich dem damals neuen, exkursiven Filmgenre des Musicals zu verdanken. Der Investitionsbedarf für die Tonfilm-Technologie verfestigte jedoch die Industriestrukturen des Filmgeschäfts. Zwar verhinderte der Tonfilm anfänglich den Filmaustausch zwischen den Sprachzonen. Trotzdem gelang es Hollywood in den dreißiger Jahren, seine Vormachtstellung zu konsolidieren. Dazu beigetragen hat auch die Etablierung des Production Code, einer filmindustriellen Selbstkontrolle, die insbesondere die Repräsentation von Erotik und Brutalität streng regulierte. So förderte der Code seit 1934 die Entstehung eines familienkompatiblen Unterhaltungsfilms, der ungenutzte Publikumspotenziale freisetzte. In der Zeit der Wirtschaftskrise feierte das Studiowesen seine Hochkonjunktur, die sich auch in kostspieligen Technicolor-Produktionen niederschlug, darunter Robin Hood, König der Vagabunden (1938) oder Der Zauberer von Oz (1939). Um Ihnen eine Vorstellung davon zu geben, wie Filme damals aussahen, sehen Sie hier die Anfangstitel von Der Zauberer von Oz:
Krise und Neubeginn des Kinos
Der Niedergang des Studiosystems begann dagegen in den USA bereits Ende der 1940-er Jahre. Einer der Hauptgründe für diese Entwicklung war das Entstehen des Fernsehens. Die Majors antworteten auf diese Entwicklung, insbesondere durch die Produktion aufwendiger Farbfilme im neuen Breitbildformat Cinemascope, um die Überlebenschancen des Kinos zu erhöhen. Diese Strategie gipfelte in Monumentalfilmen wie Ben Hur (1959). Diese Produktionen erreichten jedoch nicht den Publikumsgeschmack der Jugendlichen und vermochten es auch nicht, das Interesse des Erwachsenenpublikums langfristig zurückzugewinnen.
Erst mit den Kassenschlagern des New-Hollywood-Kinos wie Der weiße Hai (1975), die ab Ende der siebziger Jahre den modernen Kinoblockbuster zum Erfolgsformat machten, erlebte das Mainstream-Kino wieder einen dauerhaften wirtschaftlichen Auftrieb. Mit Hilfe offensiver Vermarktungsstrategien gelang es Hollywood, schließlich auch ein jüngeres Kinopublikum zu gewinnen.